GANZ VORN
„Alles hier war sehr, sehr fortschrittlich“, sagt Schwester Maria nicht ohne Stolz. Die 81-Jährige gehörte zur ersten Abteilung, die 1973 den Umzug vom alten Haus in der Feuchtwanger Straße hinauf auf den Strüther Berg machte. Es war die Station C1, Innere Medizin, Frauenabteilung. „Schwester Maria packte unten ein, ich packte oben aus“, erinnert sich Schwester Ruth (75).
„WIR WAREN DAS VORZEIGEKRANKENHAUS FÜR DIE GANZE GEGEND.“
Beide Damen sind auf dem Titel dieses Magazins zu sehen. Die Aufnahme entstand eher zufällig. Sie wussten nicht, dass in dieser Frühschicht im Jahr 1973 ein Fotograf vorbeikommt. Und dass er auch noch Menschen vor der Kamera haben wollte. Aus heutiger Sicht ist dieses Motiv ein echtes Zeitdokument, ein Glücksfall aus dem Archiv.
Die Schuhe, die Schwesternkleidung, der Flaschenöffner an Schwester Ruths rechter Hüfte – allein die Details erzählen schon eine Geschichte. Und natürlich der Visitenwagen. Eine damals hochmoderne Anschaffung, mit Rollen versehen und ständig griffbereiten Patientenakten. Dazu alles aus Edelstahl. So wie es sich für ein Vorzeigekrankenhaus eben gehört. Das Prinzip ist bis heute gleich geblieben. Nur steht jetzt ein Computer auf dem fahrbaren Stehtisch.
Schichtdienst im Krankenhaus war damals noch kein Begriff. Gearbeitet wurde von morgens 6 Uhr bis 13 Uhr, dann ging es in eine lange Mittagspause. Ab 16 Uhr machte man weiter bis 20 Uhr. „Wir mussten hart arbeiten und die Stationen waren fast immer ausgelastet“, erinnert sich Schwester Ruth.
Schwester Ruth wechselt in den 1980er Jahren in die ambulante Versorgung und wird Gemeindeschwester in Lichtenau. Wie Elena Degelmann (ANgesicht 09) bildet sie sich zur Wundexpertin weiter und pflegt schwerkranke Menschen zu Hause.
Schwester Johanna geht 2002 nach 29 Jahren in den Ruhestand, Schwester Maria 1993 nach 33 Jahren. Obwohl ihnen der Beruf viel abverlangte, würden sie ihn alle wieder machen. Heute aber mit Kasack, digitalem Patientenwagen und definitiv ohne Haube.
Dazu kam anfangs die schlechte Anbindung des Hauses an den öffentlichen Nahverkehr. Zum Schichtbeginn fuhr noch kein Bus hinauf zur Klinik, die letzte Verbindung stand für 18 Uhr auf dem Fahrplan. Autos waren bei weitem noch nicht so verbreitet wie heute. Das auf dem Klinikgelände gelegene Wohnheim war daher sehr beliebt. Noch heute haben Mediziner/-innen kleine Wohnungen dort.
Schwester Johanna beginnt im Frühjahr 1973 am Krankenhaus Ansbach. Die 84-Jährige hat ein gutes Gedächtnis, ist weiterhin sehr mobil und per Handy oder E-Mail zu erreichen. Sie wirkt deutlich jünger, als ihr Geburtsjahr 1939 vermuten lässt. „84 ist doch kein Alter“, sagt Schwester Johanna lächelnd. Wer sie erlebt, glaubt es sofort.
Zusammen mit Schwester Maria erinnert sie sich noch an eine neue Diakonissen-Tracht, die 1972 eingeführt wird. Noch heute können beide die Haube so falten wie damals – sie behält nur mit einer korrekt platzierten Sicherheitsnadel die Form.
AB MITTE DER 1980ER JAHRE VERZICHTETE MAN OFFIZIELL AUF DEN KOPFSCHMUCK.
Er war der jungen Generation nicht mehr zu vermitteln.