EIN GANZES ANÄSTHESISTENLEBEN
Dr. Burkhard Kallert ist erleichtert, als sein Porträt eingefangen ist. Vor einer Kamera zu stehen, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, das ist nicht die Welt des Anästhesie-Chefarztes der Klinik Dinkelsbühl. „Eine Geschichte über mich?“, fragt er noch freundlich ein paar Tage zuvor, als der Termin ausgemacht wird. Dr. Kallert wäre ein lausiger Politiker geworden.
WÜRDE ER AUS DEM NÄHKÄSTCHEN PLAUDERN, KÖNNTE MAN EIN GANZES HEFT MIT IHM FÜLLEN.
Exakt 40 Jahre ist er dieses Jahr an der Klinik Dinkelsbühl beschäftigt. Ein ganzes Berufsleben, vom Assistenten zum Chefarzt (seit 2012). Davor absolvierte er hier schon seine Famulatur während des Studiums. Solche Karrieren gibt es heute nicht mehr in der Medizin. Und seine Frau lernte er auch noch während eines Nachtdienstes kennen.
Doch Dr. Kallert ist kein Geschichtenerzähler, obwohl es genug Stoff gäbe. Er spricht offen, jedoch ohne Details, die seine Person oder sein Wirken auf ein Podest heben würden. Er sieht sich als Teil des Teams, nicht so sehr an dessen Spitze.
DIE VORSTELLUNG, IN EIN PAAR MONATEN IN DEN RUHESTAND EINZUTRETEN, MUSS BEI IHM NOCH REIFEN.
Es liegt nicht am fehlenden Privatleben, sondern an der Leidenschaft für den Beruf.
„ ICH KOMME WIRKLICH GERNE ZUR ARBEIT“,
sagt Dr. Kallert. Er mag die Menschen, das Team, das gesamte Umfeld in der Klinik Dinkelsbühl.
Als Anästhesist bewegt er sich im klassischen Betätigungsdreieck: auf der Intensivstation, im Operationssaal und als Notarzt im Rettungsdienst. Letzteres besonders gern.
Von seinem Büro hat er einen direkten Blick auf die Rettungswache des Bayerischen Roten Kreuzes. Wird Alarm ausgelöst, rückt von dort das Notarzt-Einsatzfahrzeug (NEF) aus. Dann schlüpft Dr. Kallert in die Sicherheitsstiefel, streift die rote Jacke über und geht die zwanzig Sekunden bis zum Haupteingang, wo das NEF ihn aufnimmt. Blaulicht an, los geht’s.
Er kann nicht sagen, wie viele hundert Mal er diesen Weg gegangen ist. Aber wenn er privat unterwegs ist, erinnert sich Dr. Kallert exakt an manche Einsätze. In der Kurve war dieser Unfall, in dem Haus jener Notfall.
„ ES GIBT SZENEN, DIE SIND WIE EINGEBRANNT. DIE WIRD MAN NICHT MEHR LOS“,
sagt Dr. Kallert und blickt aus dem Fenster zur Rettungswache. Es ist keine Beschwerde, einfach eine Feststellung. So wie der Möbelpacker es irgendwann im Rücken hat, so hat der Notfallmediziner die Bilder im Kopf.
Trotzdem empfand er die Zeit als Crewmitglied des Rettungshubschraubers Christoph 65, der am Flugplatz Dinkelsbühl stationiert ist, als mit die schönste Zeit.
„ IM HUBSCHRAUBER WIRD MAN BESONDERS GEFORDERT, DIE TEAMARBEIT AUF SO ENGEM RAUM IST NOCHMAL INTENSIVER“,
sagt Dr. Kallert.
Irgendwann ließ sich die Chefarztposition nicht mehr mit der Rettungsfliegerei vereinbaren.
Er vermisst den Hubschrauber. Und er wird bald die Klinik vermissen. Gerüchten zufolge soll es dort eine Menge Menschen geben, die ihn vermissen werden.