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ANgesicht Magazin

KOMPETENZSCHUB

Der Operationssaal ist eine Bühne, ob man will oder nicht. Auf Neudeutsch vielleicht sogar ein Casting, bei dem insbesondere das Führungspersonal unter die Lupe genommen wird. Kann die Person im Team arbeiten? Kann er oder sie kommunizieren und führen? Was für eine Stimmung herrscht im OP-Saal? Wie geht die Person mit Stress um?

AUF DEN WENIGEN QUADRATMETERN UM DEN OPERATIONSTISCH OFFENBAREN SICH DIE CHARAKTERE.

Vom OP-Personal im Klinikum Ansbach hört man, dass Dr. (Univ. Aleppo) Firas Kalaji bei den obigen Fragen gut wegkommt. Auf Nachfrage werden folgende Attribute genannt: Er grüßt, ist freundlich, kann was und tritt entsprechend professionell auf. Auch Humor zeigt er mitunter.

Das mag erstmal flapsig klingen, doch sehr oft geht gute Medizin mit gutem Benehmen einher. So ist es auch bei Chefarzt Dr. Kalaji. Seit er vor gut einem Jahr ans Klinikum Ansbach wechselte, können hier Eingriffe vorgenommen werden, die bislang nur weiter entfernt möglich waren.

So etwas spricht sich schnell herum. Der Leitende Oberarzt der Anästhesie am Klinikum Ansbach Dr. Sebastian Eibicht ist öfter mit Dr. Kalaji im OP und sieht dessen Fachkenntnis. Dr. Eibicht fliegt auch als Notarzt auf dem Rettungshubschrauber Christoph 65, der am Flugplatz Sinbronn nahe Dinkelsbühl stationiert ist (ANgesicht-Ausgabe 10). Patienten mit einer neurochirurgischen Diagnose müssen meist in weiter entfernte Kliniken geflogen werden.

„HIER ERÖFFNEN SICH JETZT NEUE MÖGLICHKEITEN“,

sagt Dr. Eibicht.

FÜR DIE MENSCHEN IN DER WEITEN FLÄCHE WESTMITTELFRANKENS BEDEUTET DAS VOR ALLEM VERSORGUNGSSICHERHEIT.

Lange Transportwege, gerade bei kritischen Patienten, stellen immer ein Risiko dar. Dr. Kalajis Behandlungsportfolio kann diese Wege verkürzen.

Der 47-Jährige stammt aus Syrien und studierte Medizin in Aleppo. Als er 2005 nach Deutschland kommt, wird ihm nichts geschenkt. Sechs Monate arbeitet er als Gastarzt in einem Berliner Krankenhaus mit kirchlichem Träger. Er erhält kein Gehalt und nicht einmal Essensmarken, wie sonst alle Medizinstudenten dort.

Obwohl er unzählige Stunden arbeitet, hegt Dr. Kalaji keinen Groll.

„DAS WAR MEIN EINSTIEG. DARAUF BASIERTE ALLES WEITERE“,

sagt der Neurochirurg. Er wollte ursprünglich Urologe werden, doch in einer Reha-Einrichtung im bayerischen Kipfenberg wird sein Interesse für die Neurochirurgie geweckt. Sein Fokus verändert sich.

In Bad Berka nahe Erfurt erhält er eine Anstellung als Assistenzarzt. Die Klinik hat eine vergleichsweise große Neurochirurgie und ein Einzugsgebiet, das nahezu den ganzen Thüringer Wald umfasst.

Es gibt viel zu tun. Und die dortige Leitung sieht einen jungen Mediziner, der fleißig ist und lernen will.

„Die Chefärztin und der Leitende Oberarzt haben mich sehr gefördert. In Bad Berka hat man mir alles beigebracht“, sagt Dr. Kalaji. Als er aus familiären Gründen für knapp zwei Jahre an eine Neurochirurgie nach Dortmund wechselt, enthält sein Zeugnis den Eintrag, er könne jederzeit zurückkehren. Das gilt auch für Bad Berka, wohin er tatsächlich wieder zurückgeht und wo er zum Oberarzt aufsteigt. Er wird weit mehr als ein Jahrzehnt an der Klinik tätig sein.

Seine Lebensplanung sah vor, als Mediziner nach Syrien zurückzukehren. Sogar Pläne für eine eigene Praxis machten er und seine Familie. Doch dann begann 2011 der Krieg. „Ich habe lange gehofft, eine berufliche Zukunft dort zu haben, aber das ist utopisch“, sagt Dr. Kalaji. Vielen seiner Kollegen geht es so. Sie füllen nicht selten die Lücken, die der Ärztemangel an deutschen Kliniken hervorbringt.

Selbst wenn die kriegerischen Handlungen in Syrien enden, wird es Jahre dauern, bis die Infrastruktur und die Zivilgesellschaft wieder aufgebaut sind.

„MEIN WUNSCH IST ES, MEINEN KINDERN IRGENDWANN ZU ZEIGEN, WO ICH AUFGEWACHSEN BIN“,

sagt Dr. Kalaji.

Die Neurochirurgie ist eine arbeitsreiche Fachrichtung, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Kürzlich stand Dr. Kalaji für zwei Eingriffe knapp acht Stunden am Stück im Operationssaal. Da macht es sich bezahlt, wenn man zu den beliebteren Medizinern beim OP-Personal zählt.

DR. KALAJIS SPEKTRUM REICHT VOM BANDSCHEIBENVORFALL ÜBER KOMPLEXE WIRBELSÄULENEINGRIFFE BIS ZUM GEHIRNTUMOR.

Außerdem arbeitet er an einer Studie für eine minimalinvasive OP an der Bandscheibe im Halswirbelbereich, wodurch ein bislang erforderliches Implantat unnötig wird.

Und manchmal wird es auch nahezu filmreif im OP-Saal. Dr. Kalaji ist noch nicht lange am Klinikum Ansbach, als er einem Patienten einen Gehirntumor entfernt, der nahezu die Größe eines Hühnereis hat. Wirkliche Aufmerksamkeit erregt allerdings die dazugehörige Begleitung: zwei bewaffnete Justizbeamte, denn der Mann sitzt in Untersuchungshaft. Einer von ihnen wird während des Eingriffs immer im OP-Saal sein.

Dr. Kalaji ist so auf den Patienten konzentriert, dass er davon kaum Notiz nimmt. Auch niemand vom OP-Personal fragt, welcher Verdacht gegen den Mann besteht. „Dass der Patient in Haft sitzt und wie er dorthin kam, ist für uns nicht wichtig“, sagt Dr. Kalaji später. „Der Eingriff war dringend notwendig und ist gut verlaufen.“

DER NEUROCHIRURG IST DAFÜR BEKANNT, SICH NACH OPERATIONEN ZUVERLÄSSIG BEI DEN NÄCHSTEN ANGEHÖRIGEN ZU MELDEN.

Im Falle des U-Häftlings lagen allerdings keine Kontaktdaten vor. Ob die Justizbeamten diese Aufgabe übernahmen, ist nicht überliefert. Dr. Firas Kalaji hätte es lieber selbst erledigt.

DENN GUTE MEDIZIN GEHT MEIST MIT GUTEM BENEHMEN EINHER.

Weitere Informationen

Dr. (Univ. Aleppo) Firas Kalaji
Chefarzt
Klinik für Neurochirurgie am Klinikum Ansbach

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